Jörg Ramsauer Literatur, Natur, Sport

Der Honigdachs von Christoph D. Brumme

Januar 10

Erst nach dem Lesen ist mir aufgefallen, daß der Ich Erzähler gar nicht seinen Namen benannt hat im Verlauf der Erzählung. Von seinen Eltern spricht er in der dritten Person und benennt sie ebenfalls nicht mit Namen. Man erfährt von einem strengen Vater mit einer gewissen Gefühlskälte und einer Neigung zur Gewalt, die eine richtige Beziehung nie hat aufkommen lassen. Erst später erfährt man daß „Er“, so wie er betitelt wird – sich auch in inzestuöser Absicht seiner Tochter genähert hat. Leider wird im Verlauf der Geschichte auf diese Situation nicht näher mehr eingegangen. Es hätte mich interessiert, wie dieser Handlungsstrang sich weiter entwickelt hätte.

Später gibt es auch eine Abhandlung über Kafka und Zärtlichkeit, die man noch mit den anderen Handlungsstrang verbinden kann. Die Sprünge in der Handlung, insbesondere der Brief von Alexandre Dumas, wirken eher befremdlich, auch wenn sich der Aufenthalt des Protagonisten in Russland und die dortigen skurilen Ereignisse um seine Aufenthaltserlaubnis und seine Frauen in Teilen spannend sind.

Insgesamt ein nicht einfach zu lesender Roman. Auf dem Umschlagtext wirbt Rolf-Bernhard Essig, Wiener Zeitung, mit einer wunderbaren Wirkung des Romans vergleichbar derer aus Dostojewskis spätesten Prosawerken. Dies kann ich natürlich nicht beurteilen, da ich noch nicht alle Klassiker der Weltliteratur verschlungen habe, aber ich habe keinen richtigen Zugang gefunden.

 

BRUMME, C.-D. (2010): Der Honigdachs. 131 S. Dittrich Verlag, Berlin. ISBN 978-3-937717-50-0

Verbrechen von Ferdinand von Schirach

Januar 3

Klappentexte sind immer mit Vorsicht zu genießen. Sie müssen übertreiben und Lust auf das Lesen machen. Doch bei diesem Buch sind die Lobeshymnen gerechtfertigt. Ich habe das Buch nach dem Anfangen nicht mehr aus den Händen legen wollen. Der Rechtsanwalt Ferdinand von Schirach plaudert in diesem Buch aus dem Nähkästchen. Die Fälle sind alle pure Realität.

In „Fähner“ schildert von Schirach den Fall eines Arztes der seine Frau tötete nachdem sie ihn über Jahre heftig seelisch gequält hatte. Seine Erzählweise ist schnell, faktisch und hemmungslos ohne viel Schnörkel. Am beeindruckendsten fand ich die Geschichte „Der Äthiopier“ bei dem ein in Deutschland gescheiterter Mensch sich in Äthiopien in einem Dorf völlig entfalten kann und den Bewohnern soviel hilft, daß er zum wahren Helden emporgehoben wird. Das Schicksal holt ihn dort dennoch ein und er muß zurück nach Deutschland, um dort Rede und Antwort zu stehen. Trotzdem nimmt die Geschichte am Ende noch eine sehr positive Wendung…..

Mein Prädikat für das Buch: sehr wertvoll

 

SCHIRACH, VON F. (2009): Verbrechen. 205 S. Piper Verlag, München. ISBN: 978-3-492-05362-4